Fête des Provençales, La (La Fête des matelots)

GluckWV 2.2.60

Allgemeines

Wotquenne-Nummer: deest

Werktyp: Ballett

Werkbezeichnung: Grand Ballet

Uraufführungsort: 6. Oktober 1761, Schloss Schönbrunn, Schlosstheater

Informationen zur Uraufführung:

Ausführende: Pas de deux – Gasparo Angiolini, Louis Frossard – Maria Ester Boccherini, Vincenzo Turchi – Theresa Wismar, Concert - Pierre Bodin, Annibale Barsi, Antoine Gobert – Adriana Giropoldi, Querin [Vorname unbekannt], Jean Baptist Grandchamp – Rosalie Grangé, Jacques Heloin, Antoin Durval – Thérèse (?) de Camp [Decamp], Johann Hopp, Francesca Bernardi [cadette]; Choreograph – Gasparo Angiolini

Authentizität: zugeschrieben (Musik verschollen)

Genese

Entstehung:

Am 6. Oktober 1761, dem ersten Jahrestag der Vermählung des zukünftigen Kaisers Joseph II. mit Isabella von Bourbon-Parma, berichtete Philipp Gumpenhuber in seinem Repertoire der Wiener Theater1 von einer Aufführung in Schönbrunn, bei der Pierre-Claude Nivelle de La Chaussées Komödie L'École des mères (1744) und das "grand Ballet nouveau La Fête des Provençals" in Schönbrunn gegeben wurden. Obwohl Gumpenhuber in seinem statistischen Teil von sieben Wiederholungen spricht, ist im Repertoire keine weitere Vorstellung des Balletts unter dem Titel verzeichnet. Jedoch gibt er am 6. Dezember 1761 an, dass das Ballett "La Fête des matelots" erstmals in der Stadt zu sehen gewesen sei ("pour la 1.re fois en Ville").
Die Vermischung der provenzalischen Kultur und der Seefahrt ist bereits in Jean Philippe Rameaus Opéra-ballet Les Indes galantes (1735), bemerkenswerterweise im Entrée Le Turc généreux enthalten: Der "türkische" Plot wird mit einem Tanz der "Provençaux et Proveçales" beendet. Im Mercure de France2 ist in einem Aufführungsbericht von Rameaus Werk von einer besonders fröhlichen "Fête des Matelots" die Rede ("Les tambourins de la fête des Matelots sont d’une extrême gayeté [...]"). Es ist daher anzunehmen, dass es sich bei der Wiener Fête des matelots und Fête des Provençales um dasselbe auf Rameaus Les Indes galantes rekurrierende Ballett handelte. Dieses diente auch Jean Georges Noverre als Vorlage für sein 1789 wenig erfolgreich am Londoner King's Theatre aufgeführtes Ballett Les Fêtes provençales.3 Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei La Fête des Provençals und bei La Fête des matelots um das gleiche Ballett handelt, liefert Gumpenhubers Angabe zu den ausführenden Tänzerinnen und Tänzern: Abgesehen von der Primaballerina Maria Esther Boccherini, die von Louis Joffroy-Bodin abgelöst wurde, trat dasselbe Ensemble auf.
Bei der Wiener Aufführung kam offenbar eine spezielle Beleuchtung zum Einsatz: Bei Gumpenhuber ist die Rede von einer "grande illumination". Die Bekleidung der Provenzalinnen – das "Costume d'Arles" – entwickelte sich im 18. Jahrhundert als Gegenentwurf zur opulenten höfischen Mode zum Bekleidungstrend, der sich möglicherweise auch in den Kostümen der Tänzerinnen niederschlug.
Das Ballett, als dessen Choreograph Gasparo Angiolini dank Gumpenhubers Aufzeichnungen eindeutig feststeht, wird aufgrund von Glucks Anstellung als Komponist der Ballettmusik des Burgtheaters in der Saison 1761/62 zu seinen Werken gezählt.

Werkgeschichte:

Weitere Aufführungen fanden am 8., 9., 13. und 29. Dezember 1761 statt. Wie den Aufzeichnungen Gumpenhubers zu entnehmen ist, gab es zahlreiche Probleme mit dem Tänzerensemble des Balletts, so musste bereits bei der zweiten Vorstellung Jean Baptiste Grandchamp von Michael Pößinger ersetzt werden, bei späteren Aufführungen Pierre Bodin durch Jacques Heloin und Joseph Hornung; bei der ersten Aufführung im Jahr 1762 (10. Januar) fiel außerdem der Solist Louis Frossard aus. Anzunehmen ist, dass dadurch die Faktur des Balletts verändert wurde, Solotänze inklusive Musik ausgewechselt wurden. Die Vorstellung am 13. Januar 1762 fand im Rahmen der zweiten Redoute "pour les Enfans, et pour la grande Noblesse" statt. Wie Gumpenhuber am 16. Januar mitteilte, wurde aufgrund einer schweren Erkrankung von Erzherzog Ferdinand angeordnet, auf die abendliche Komödie zu verzichten. Aus den Aufzeichnungen geht nicht eindeutig hervor, ob dies nur das Sprechstück Hans-Wurst le pauvre Étudient Musicien betraf oder ob das gesamte Programm ausfiel. Weitere Aufführungen fanden am 23. Januar sowie am 3. und 14. Februar 1762 statt.

2Vgl. Mercure de France vom Juli 1751, S. 174.

3Vgl. Sibylle Dahms, Der konservative Revolutionär. Jean Georges Noverre und die Ballettreform des 18. Jahrhunderts, München 2010, S. 387f.

Zeitgenössische Berichte:

1Philipp Gumpenhuber, Répertoire de tous les Spectacles qui ont été donnés au Théâtre près de la Cour, Einträge vom 6. Oktober, 8., 9., 13., 29. Dezember 1761 und vom 10., 13., 16. Januar, 3. und 14. Februar 1762 (A-Wn, Mus. Hs. 34580a–b).

Uraufführungsort:

Weitere Aufführungsorte:

Werkteile

Übernahmen

keine

Quellen

keine

Literatur

Brown, Bruce Alan: Gluck als Hauskomponist für das französische Theater in Wien, in: Gluck in Wien. Kongreßbericht Wien 1987 (= Gluck-Studien 1), hrsg. von Gerhard Croll und Monika Woitas, Kassel usw. 1989, S. 89–99. ISBN/ISSN: 3761809298, 9783761809297

Brown, Bruce Alan: Gluck and the French Theatre in Vienna, Oxford 1991. ISBN/ISSN: 0193164159

Brown, Bruce Alan und Rushton, Julian: Gluck, Christoph Willibald, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Second Edition, Vol. 10 Glinka to Harp, hrsg. von Stanley Sadie und John Tyrrell, Oxford 2001, S. 24–58.

Dahms, Sibylle: Das Repertoire des Ballet en action. Noverre - Angiolini - Lauchery, in: De editione musices, Festschrift Gerhard Croll zum 65. Geburtstag, hrsg. von Wolfgang Gratzer und Andrea Lindmayr, Laaber 1992, S. 125–142.

Dahms, Sibylle: Angiolini, Gasparo, in: MGG2, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. 1, Kassel usw. 1999, Sp. 719–724.

Hárich, János: Inventare der Esterházy-Hofmusikkapelle in Eisenstadt, in: Das Haydn-Jahrbuch 9, Wien 1975, S. 5–11 und 67–125.

Erstellt von: Vera Grund
Zitierhinweis: Christoph Willibald Gluck. Sämtliche Werke, GluckWV-online, URI: https://www.gluck-gesamtausgabe.de/id/2-02-60-0 (19.04.2024)

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