Publikation des Bandes "L'Arbre enchanté, ou Le Tuteur dupé (1759)" (IV/10)

L’Arbre enchanté, ou Le Tuteur dupé (Wien 1759) (IV/10), herausgegeben von Bruce A. Brown, Los Angeles, Bärenreiter-Verlag, Kassel, 2015.

Die nun vorliegende kritische Edition der am 3. Oktober 1759 im Schloss Schönbrunn bei Wien uraufgeführten Originalfassung der Opéra-comique L'Arbre enchanté ist der erste vollständige Druck des Werkes. Die Oper basiert auf der 1752 in Paris aufgeführten einaktigen Vaudeville-Komödie Le Poirier von Jean-Joseph Vadé, die unter dem Titel L'Arbre enchanté ou Le Tuteur duppé (sic) Anfang 1759 in Wien bekannt wurde. Das Textbuch hierzu war möglicherweise eine von Vadé selbst bearbeitete Version seines Le Poirier und gelangte nach Wien durch die Vermittlung des Hoftheaterdirektors Graf Giacomo Durazzo, der sich im Zuge der neuen Kulturpolitik um die Etablierung des französischen Theaters in Wien bemühte. Dieses Textbuch sowie das Original-Libretto von 1752 dienten Gluck als Vorlage für seine Vertonung: Er komponierte 18 Musiknummern neu, die gemäß der Aufführungstradition der Opéra-comique zusammen mit den im Libretto verzeichneten Vaudevilles und den gesprochenen Dialogen dargeboten wurden.

Wie von den meisten Opéras-comiques Glucks hat sich auch von der Wiener Fassung von L'Arbre enchanté kein Autograph erhalten. Die vorliegende Edition basiert auf zeitgenössischen Abschriften und hierbei insbesondere auf Musikquellen, die der Kopist des Wiener französischen Theaters, Bonifacius Carl Champée, erstellt hat. Diese Materialien – eine vollständige Partitur, Teile des Orchesterstimmensatzes, ein vollständiger Stimmensatz der Sinfonia und drei Particelle – werden heute in der Bibliothèque national de France, Paris, im Staatlichen Regionalarchiv, Třeboň (Filiale Český Krumlov), in der Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek und Zentralbibliothek, Regensburg, im Tschechischen Musikmuseum, Prag und in der Bayerischen Staatsbibliothek, München aufbewahrt. Die überlieferte autographe Partitur der für die Aufführung in Versailles 1775 überarbeiteten Version der Oper konnte aufgrund der vielen Änderungen, die Gluck gegenüber der ursprünglichen Fassung vorgenommen hatte, nur in Einzelfällen berücksichtigt werden. Die Hauptquelle der vorliegenden Edition ist die in Paris aufbewahrte Partiturabschrift, die als einzige Quelle den gesamten Notentext der Oper, außer den Vaudevilles, überliefert. Für die Rekonstruktion der mehr als 60 in L'Arbre enchanté verwendeten Vaudevilles wurde auf bekannte, gedruckte zeitgenössische Quellen zurückgegriffen, wie beispielsweise Théâtre de la Foire (1722–1737), Parodies du Nouveau Théâtre Italien (1731), Le Chansonnier françois (1760) oder Théâtre de M. Favart (1762–1772). In der Neuausgabe werden die Vaudeville-Melodien im Notentext mit dem Hinweis auf den ursprünglichen Titel, einstimmig und ohne Begleitung wiedergegeben. Gemeinsam mit den musikalischen Quellen bildet das bei der Hofdruckerei van Ghelen in Wien veröffentlichte Textbuch zu L'Arbe enchanté die Grundlage für die Edition. Von zwei existenten Fassungen des Librettos, die bis auf kleinere typographische Unterschiede und die Seitenzahl (55 bzw. 40 Seiten) im Wesentlichen identisch sind, wird im Faksimile-Teil des Bandes das 55-seitige, vermutlich für die Uraufführung gedruckte Textbuch ebenso wiedergegeben wie Auszüge aus den wichtigsten Musikquellen und Abbildungen zur Textvorlage. Im Kritischen Bericht werden die Quellenlage, Bemerkungen zur Editionstechnik und zur Aufführungspraxis eingehend kommentiert. Das ausführliche Vorwort bietet einen Überblick über die Werkgenese und den Aufführungskontext.

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