Port de Marseille, Le
GluckWV 2.2.14
Allgemeines
Wotquenne-Nummer: deest
Werktyp: Ballett
Werkbezeichnung: Grand Ballet
Uraufführungsort: 26. Juli 1759, Wien, Kärntnertortheater
Authentizität: zugeschrieben (Musik verschollen)
Personen
- Choreograph:
Genese
Entstehung:
Philipp Gumpenhuber verzeichnet in seinem Repertoire für das Wiener Kärntnertortheater1 für den 26. Juli 1759 eine Aufführung von "Cupidon à la place de la Recherche avec deux grands Ballets nouveaux", bei denen es sich um La Guinguette und Le Port de Marseille handelte. Als Choreograph kann dank Gumpenhubers Aufzeichnungen Charles Bernardi eindeutig identifiziert werden. Die Zuschreibung der Ballettmusik an Gluck erfolgte hingegen aufgrund seiner Anstellung als "Compositore von der Music zu denen Balletten" an beiden Wiener Theatern in der Saison 1759/60. Als Handlungsort gibt Gumpenhuber einen Hafen mit Blick aufs Meer an, das von Schiffen und Galeeren befahren wird. Wie der Rezensent des Journal étranger beschreibt,2 zeigte die Kulisse das Fort Saint-Jean von Marseille. Gumpenhuber erwähnt außerdem eine Hafenpromenade, die von Werkstätten gesäumt wird, in denen angekettete Matrosen ihre Arbeit verrichten. Laut seinem Szenar überzeugen ein paar junge Mädchen den Aufseher, die Ketten der Gefangenen für einen Tanz abzunehmen. Im Journal étranger wird hingegen von direkter Beihilfe zur Flucht berichtet: Das Durchfeilen der Ketten wurde nicht nur visuell, sondern auch akustisch durch die Musik imitiert. Die Flucht der Matrosen nach einem gemeinsamen Tanz veranlasst den Aufseher dazu, die Mädchen in Ketten zu legen. Der zeitgleich angekommene Galeeren-Kapitän droht seinerseits dem Aufseher dafür Strafmaßnahmen an. Eine beschwichtigend eingreifende Tänzerin wurde offenbar mit speziell national konnotierten Attributen ausgestattet, da Gumpenhuber ihre Herkunft betont ("une jeune Fille de ce païs, la quelle y vient"). Im Anschluss an die handlungsimmanenten Teile folgt ein Pas de trois des Fassbinders ("un Tonnelier"), seines Gehilfen ("son Garçon") und seiner Dienerin ("Sa Servante") sowie eine "Air tambourine" des Kapitäns und des Mädchens. Wie Gumpenhuber beschreibt, wird die Musik zum Tanz von Trommeln und Flöten der Galeeren begleitet. Zum glücklichen Ende werden auch die anderen Mädchen befreit und den zurückgekehrten Matrosen ihre Flucht verziehen. Wie der Rezension im Journal étranger zu entnehmen ist, handelte es sich um ein Ballett mit weitgehend geschlossener dramatischer Handlung ("une pièce entière à plusieurs scènes").
Auch die Dokumentation des Balletts in der sogenannten Durazzo-Sammlung, eine Kollektion von Szenenbildern aus den Wiener Balletten, die der Direktor der Theater, Giacomo Durazzo, zur Dokumentation seiner Intendanz anlegen ließ, weist darauf hin, dass es sich um eine bemerkenswerte Aufführung handelte.
Laut Gumpenhuber waren in der Saison 1759/60 am Kärntnertortheater folgende Tänzerinnen und Tänzer engagiert:
[Gennaro] Magri (detto Genariello) - [Camilla] Paganini (ainée)
[Giovanni] Guidetti - [Bettina] Buggiani
[Onorato] Viganò - [Josepha bzw. Giuseppa] Fusi
[Vincenzo] Turchi (ainé) - [Barbara] Scotti
[Giovanni Antonio Gastone] Boccherini - [Elena] Paganini (cadette)
[Joseph] Hornung - [Adriana] Giropoldi
[Cortolo] Constantini - [Giulia] Gavazzi
Michel [= Michael Pösinger] - [Eleonora] Leinhauss [Leinhaas]
[Ignaz] Seve
[Johann] Hopp
Werkgeschichte:
Obwohl Gumpenhuber in seinen kalendarischen Aufzeichnungen über das Kärntnertortheater im Jahr 1759 keine genauen Angaben über die Wiederholungen der Ballette macht, ist von weiteren Aufführungen auszugehen, genaue Daten sind jedoch nicht zu ermitteln.
Zeitgenössische Berichte:
1Philipp Gumpenhuber, Repertoire de Tous les Spectacles, qui ont été donné au Théatre de la Ville, recueilli par Monsieur Philippe Gumpenhuber, Eintrag vom 26. Juli 1759 und S. 69f (US-CAt, MS Thr. 248.1).
Lettre de Vienne. Ecrite aux Auteurs de ce Journal, sur l'état des Sciences & des Spectacles, in: Journal encyclopédique. Par une societé de gens de lettres. Pour le 15. Decembre 1759, Tome VIII, Troisieme Partie, Liège 1759, S. 127–138: 136.
2Lettre écrite de Vienne aux Auteurs du Journal Etranger. 19. April 1759, in: Journal étranger, Mai 1760, Lambert, Paris 1760, S. 86–111: 106f.
Uraufführungsort:
Werkteile
Übernahmen
keine
Quellen
Ikonographische Quelle
Das ganze Werk
Signatur: A-Smoroda, DdM f M 008_20
Fundort: A-Smoroda
Beschreibung:
Szenenbild zum Ballett Le Port de Marseille, Fotografie einer verschollenen Pinselzeichnung (?) um 1759 aus der Sammlung Durazzo
Literatur
Brown, Bruce Alan: Gluck als Hauskomponist für das französische Theater in Wien, in: Gluck in Wien. Kongreßbericht Wien 1987 (= Gluck-Studien 1), hrsg. von Gerhard Croll und Monika Woitas, Kassel usw. 1989, S. 89–99. ISBN/ISSN: 3761809298, 9783761809297
Brown, Bruce Alan: Gluck and the French Theatre in Vienna, Oxford 1991. ISBN/ISSN: 0193164159
Brown, Bruce Alan: Wiener Ballette im Schwarzenbergischen Archiv zu Cesky Krumlov. Probleme der Autorschaft und Chronologie, in: Tanzdramen. Opéra-comique. Kolloquiumsbericht der Gluck-Gesamtausgabe (= Gluck-Studien 2), hrsg. von Gabriele Buschmeier und Klaus Hortschansky, Kassel usw. 2000, S. 9–34. ISBN/ISSN: 3761810385, 9783761810385
Brown, Bruce Alan und Rushton, Julian: Gluck, Christoph Willibald, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Second Edition, Vol. 10 Glinka to Harp, hrsg. von Stanley Sadie und John Tyrrell, Oxford 2001, S. 24–58.
Brown, Bruce Alan: Magri in Vienna: The Apprenticeship of a Choreographer, in: The Grotesque Dancer on the Eighteenth-Century Stage. Gennaro Magri and his World, hrsg. von Rebecca Harris-Warrick und Bruce Alan Brown, Madison 2005, S. 62–90. ISBN/ISSN: 9780299203542
Erstellt von: Vera Grund
Zitierhinweis:
Christoph Willibald Gluck. Sämtliche Werke, GluckWV-online, URI:
https://www.gluck-gesamtausgabe.de/id/2-02-14-0 (12.12.2024)